Richard Riemerschmid ist der Säulenheilige des Münchner Jugendstils. Sein Name kam in letzter Zeit wieder zu Bewusstsein, als bekannt wurde, dass sein in allem voll erhaltenes Haus in Pasing zum Verkauf steht. Leider hat die Stadt München die Gelegenheit verpasst und das Haus einem privaten Käufer überlassen. Die folgenden Bilder sollen das Werk von Riemerschmid etwas erleuchten.
"Wir fingen einfach an" war eine Festschrift zum 85. Geburtstag des Architekten überschrieben, und das war 1897, als in einer Ausstellung "Aufbruch der Jugend" der Widerstand gegen den überhand nehmenden Historismus begann. Riemerschmid stellte dabei im Münchener Glaspalast den folgenden Schrank aus. Gotische Truhen im Nationalmuseum München inspirierten ihn zu den Beschlägen.
Riemerschmid Schrank aus Eibenholz 1897
Zweite Version (Unterteil Original, Oberteil Reproduktion)
Riemerschmid Ensemble Schrank mit Stuhl
Vorder- und Rückseite des Stuhls
Dieser hochbedeutende Stuhl bildet eine dialektische Synthese wesentlicher Eigenschaften des deutschen Jugendstils und zugleich ein überzeugendes Verbindungsglied zwischen kurvigem Hoch- und geometrischem Spät-Art-Nouveau. Aus flächigen Brettern zusammengesetzt und doch organisch- plastisch blockartig geschlossen, innerhalb dieser Kontur durchbrochen, von bäuerlicher Solidität und urbaner Verfeinerung ist er zweckvoll konstruiert. Formal inspiriert worden könnte Riemerschmid durch einen Stuhl des schottischen Designers George Walton, der zur School of Glasgow gehörte und mit Charles Rennie Mackintosh zusammenarbeitete.
G. Walton Stuhl für einen Teeraum 1896
Ausführung
Richard Riemerschmid Armlehnstuhl 1900
Riemerschmid Möbel im Stadtmuseum München
Armlehnstuhl 1908
Der frühere Bundespräsident Theodor Heuss war ein großer Fan von Riemerschmids Möbeln. 1953, also vier Jahre vor dessen Tod, schrieb er in einem Brief: "1907 fuhren wir nach Dresden, um dem Riemerschmid seine Sachen anzusehen und, was Tisch und Stühle betrifft, auszuprobieren. ... Es wird Ihnen Spaß machen, dass ich jahrzehntelang, am Schreibtisch, im Eßzimmer, im Schlafzimmer, Riemerschmid als Umgebung besaß. Ich konnte fast sagen: Ich schreibe am R.R., ich schlafe bei R.R., ich esse mit R.R., ich sitze auf R.Riemerschmid...."