Es ist über dreissig Jahre her, als ich in der Wohnung einer Bekannten am Boden liegend eine Bronzekatze sah, die mich augenblicklich faszinierte. Ich fagte nach dem Bildhauer, der sie geschaffen hatte. Es war der Bildhauer Heinrich Kirchner, Professor für Bronzeguss an der Akadmie für Bildende Künste in München. Ich wollte ihm begegnen und vereinbarte bald einen Termin in seinem Atelier. In Pavolding bei Seeon hatte er einen alten Bauernhof umgebaut. Dort angekommen, begegnete mir ein Mensch, der an Liebenswürdigkeit nicht zu übertreffen war. Aus seinem Gesicht leuchtete stets ein vergeistigtes Lächeln, wenn er mir seine Werke erklärte. Ich suchte unter den vielen Skulpturen im Heustadl nach der liegenden Katze, - und da war sie!
Heinrich Kirchner "Liegende Katze" 1951
Heinrich Kirchner Bleisstiftzeichnung "Liegende Katze"
Der Künstler erzählte mir, dass er die Katze 1951 geschaffen hatte und dieses Exemplar der letzte von drei Güssen sei. Bald merkte er, dass ich die Skulptur sehr gerne gehabt hätte, - und er gab sie mir zu einem so niedrigen Preis, dass ich mich heute noch schäme, ihn akzeptiert zu haben. Und dazu auch noch die Entwurfzeichnung. Später erhielt ich noch eine zweite Bronzekatze, eine stehende und dazu eine Keramik, die Kirchner bemalt hatte.
Heinrich Kirchner "Stehende Katze"
Heinrich Kirchner war ein Mensch mit fundierter humanistischer Bildung.Er sah in der Kunst der Antike seine geistigen Wurzeln. Aus ihr bezog er auch mitunter Motive, wie das folgende Beispiel einer "Pallas Athene mit der Eule" zeigt.
Heinrich Kirchner "Pallas Athene mit Eule"
Auch die kleine, nur 13 cm große Bronze manifestiert seinen Stil
Heinrich Kirchner "Alter Mann"
Wer im Grundstück des Kirchner-Anwesens umhergeht, findet dort noch heute seine Werke, religiöse und äußerst expressive. Hier einige Beispiele:
Heinrich Kirchner Großskulpturen
Heinrich Kirchners Bildwerke bedürfen keiner Erläuterung und Erklärung. Sie sprechen in ihrer archaischen Kraft für sich selbst. Wenn man in Richtung Chiemsee weiter fährt, dann stehen plötzlich auf einer Wiese, umgeben von Kühen mehrere übergroße Plastiken. Für manche Einheimische sind es bloß die "Hexen"
Ich empfehle jedem, der sich für diesen Künstler interessiert, einmal bei einem Sonntagsausflug an den Chiemsee über das kleine Dorf Pavolding zu fahren. Das Kirchner-Haus fällt sofort auf. Frau Kirchner lebt noch heute dort und zeigt jedem wirklich Interessierten gerne Kirchners Werk.
BIOGRAPHIE: Heinrich Kirchner ist geboren 1902 in Erlangen, wo heute im Stadtpark mehrere seiner Werke stehen. 1924 studierte er an der Münchner Kunstakademie, wo er nach dem Krieg auch Professor wurde. Über sein Werk sagte er: "Kernfragen meiner Arbeit: Ich versuchte, engagierte Kunst zu machen. Unbewußt war die Idee der Liebe der Inhaltskern, den ich in Formen zu fassen versuchte. Bedeutung für meine Arbeit hatte immer schon das Expressive. Diese Haltung geht durch mein Werk von Anfang bis Ende." 1984 starb er und ist auf dem Friedhof der Fraueninsel im Chiemsee begraben. Sein "Grabstein" ist natürlich ein Bronzerelief. Wer sich noch näher interessiert, dem empfehle ich das Werkverzeichnis: Dorothee Höfert, Heinrich Kirchner, Das Plastische Werk, Heidelberg 1991