Zur Uraufführung von Beethovens IX. Symphonie "An die Freude" im Mai 1824 hier eine amüsante Episode:
Ausschnitt aus einem Brief Beethovens an Henriette Sontag
Die Sängerin Henriette Sontag um 1824
Im September 1822 schrieb Beethoven an seinen Bruder Johann u.a. folgende launige Zeilen: "Zwei Sängerinnen besuchten uns heute, und da sie mir durchaus die Hände küssen wollten und recht hübsch waren, so trug ich ihnen lieber an, meinen Mund zu küssen".
Nunmehr entspann sich eine anmutige Beziehung zwischen ihm und seinen beiden "schönen Hexen", wie er sie fortan nannte. Es waren die Sängerinnen Henriette Sontag und Karoline Unger, die später in jener denkwürdigen Akademie vom 7. Mai 1824 bei der Uraufführung der Missa Solemnis und der IX. Symphonie die Sopran- bzw. Altpartieen sangen.
Am 12. Mai 1824, also eine knappe Woche danach, sandte Beethoven an die 18-jährige Henriette Sontag folgenden, linkshändig geschriebenen, kaum leserlichen Brief:
"Meine schöne werthe Sonntag! Es war immer mein vorsaz sie derweil einmal zu besuchen u. ihnen zu danken für ihre schöne Mitwirkung bey meiner A(kademie), doch hoffe ich (sie in) einigen Tä(gen wieder) zu s(ehen und sie) einmal mit Unger in den Prater oder Augarten zu mittage zu führen, da jezt die schönste Zeit dazu; dem vornehmen nach dürfte die Akademie kü(nf)tige woche (wiederholt) werden, (und ich hoff)e, sie werden (mich wie)der unterstüzen, wofür ich ihnen allzeit dankbar verbleiben werde. leben sie recht wohl bis ich das vergnügen habe, sie zu sehen.- ihr wahrer Freund u. verehrer Beethoven"
Das Autograph weist durch Siegelriss einige Fehlstellen (Ergänzungen in Klammern) auf. Es zeigt, dass es der Meister mit der Rechtschreibung nicht sonderlich genau genommen hat. Das abschließende Grußwort "u. verehrer" hat er wohl nachträglich eingefügt. .Tatsächlich hatte der alternde Meister an seinen beiden "Schönen“,wie sie manchmal nannte, einen "Narren gefressen". Das geht auch aus den zahlreichen Eintragungen in den Konversationsheften der Jahre 1823 und 1824 hervor.
Hier einige Zitate daraus:
Schindler, Beethovens Diener:"Die Sontag können Sie auch tüchtig benutzen, denn das Mädchen hat einen seltenen Fleiß und eine seltene Bildung. Sie will sich die Freiheit nehmen Sie zu besuchen, allein sie traut sich nicht recht."
"Die Sontag ist vorzüglich, ein Muster seltener Moralität"
Unger:"Gehen Sie mit mir ins Lusthaus, wir fahren hin und gehen zu Fuß zurück, erfüllen Sie meine Bitte".
H.Sontag: "Wie wir hergekommen sind, waren Sie gerade bei dem Barbieren. Warum ziehen Sie denn so weit von der Stadt, nehmen Sie sich ein nahes Quartier bei der Stadt, dann wollen wir Sie recht oft besuchen."
Im März 1824 kam es zu einem gemeinsamen Essen, allerdings mit bösen Folgen; denn Beethoven liebte gefälschte Weine.
Schindler: "Nun eine unangenehme Neuigkeit von der Sontag, die Sie gewiß betrüben wird. Die wenigen Tropfen Wein vom Ruster Ausbruch haben auch bei ihr eine Explosion verursacht, so daß der "Taucher" [1]abgesagt werden mußte. Sie hat die letzte Nacht sich fünfzehnmal übergeben. Gestern Abend wars aber schon besser. Die Unger hat das Gegenteil davon bekommen; das sind Heldinnen. Sie sind Weintrinken nicht gewohnt, es ist auch ein schlechter Wein, wie sichs zeigte. Die Sontag sollte gestern früh zur Probe kommen vom Hofkonzert. Als sie die 24 Dukaten hätte verlieren sollen, ließ sie sagen, sie habe schon ausgelitten und würde kommen. Beide Schönen empfehlen sich Ihnen und bitten in Zukunft um besseren, gesunden Wein.; ganz recht, Ihre Diners würden beiden sonst zu hoch zu stehen kommen."
Im April 1824 begannen die Proben zur Akademie. Offensichtlich waren sich die Sängerinnen nicht bewußt, was sie erwartete;denn sie wurden nicht müde, sich über die Schwierigkeiten ihrer Gesangspartien zu beklagen und verlangten Abänderungen, was Beethoven hartnäckig ablehnte.
Schindler."Wie ich mit der Sontag und Unger zurecht kommen werde, weiß ich noch nicht. Beiden Damen fehlt die Schule im Gesange, solchen getragenen Gesang vorzutragen. Die Sontag sieht das ein. Die Italienische Gurgeley hat beide vom rechten Weg abgebracht.Die Sontag sagt, sie habe im Leben so Schweres nicht gesungen."
H.Sontag: "Aber die Höhe hier " (gemeint ist die Stelle in der IX. Symphonie "Küsse gab sie uns und Reben"), läßt die sich nicht abändern?"
Unger: "Und diese Stelle liegt für die meisten Altstimmen zu hoch; läßt sie sich nicht abändern?"
Beethoven blieb stur.
Darauf H.Sontag: "So quälen wir uns in Gottes Namen weiter".
Schindler: "Wegen der Sontag ist mir gar nicht bange; die sagte: ich setze meine Kopf zum Pfande, daß ich abends keine Note fehle; sie hat doch Courage."
Die Uraufführung der IX. Symphonie und Teile der "Missa Solemnis", im Programm wegen der Zensur als "Hymnen" bezeichnet, wurde für alle Beteiligten ein großer künstlerischer, aber kein finanzieller Erfolg. Der Applaus war so stark, dass sogar ein Polizeikommissar eingeschaltet wurde, um wieder Ruhe zu schaffen.. Beethoven kehrte der begeisterten Versammlung den Rücken. Er hörte nichts von alldem. Karoline Unger faßt den Meister am Arm und machte ihn auf die Beifallsrufe des Hüte und Tücher schwenkenden Auditoriums aufmerksam.
Am 23., einem schönen Maiensonntag, wurde das Konzert wiederholt. Trotz einer Kürzung des Programms und einer eingefügten Rossini-Arie als Zugeständnis ans Publikum kamen nur wenige Besucher. Ganz Wien war hinaus ins Freie geschwärmt.
Die nunmehr achtzehnjährige Henriette Sontag eilte nach diesem Ereignis von Erfolg zu Erfolg.Im preußischen Berlin brach sogar ein "Sontag-Fieber" aus. Der alternde Goethe lud sie zu sich mehrmals ein und stellte ihre Büste auf seinen Schreibtisch. Hermann Fürst Pückler errichtete im Garten seines Schloßes zu Branitz bei Cottbus einen rosenumwachsenen Sontag-Pavillon, der noch heute samt vergoldeter Bronzebüste der Sängerin zu sehen ist. 1828 heiratete sie heimlich den italienischen Grafen Rossi und nahm 1830 von allem Konzertverpflichtungen Abstand, um ihren adeligen Gatten nicht in standesrechtliche Schwierigkeiten zu bringen.
Nach einer Pause von 19 Jahren trat sie1849 wieder öffentlich als Sängerin auf. Umjubelte Gastpielreisen führten sie durch Europa und den USA.1854 starb sie plötzlich unter mysteriösen Umständen in Mexiko-City . Man glaubte an einen Schlangenbiß oder gar eine Eifersuchtstat ihres Gatten. Beides erwies sich als falsch. Ihr Sarkophag wird noch heute an der Seite ihre Gatten, dem Grafen Rossi,in einer eigenen kleinen Gruft des sächsischen Klosters Marienthal an der deutsch-polnischen Grenze von Zisterzienserinnen gehütet, wohl wissend, wer da in stiller Abgeschiedenheit ruht.
Ferdinand Ries, Schüler und Sekretär Beethovens
Ferdinand Ries, Sohn des Geigers Franz Ries, Schüler Beethovens von 1803 - 1805, der in Bonn ebenfalls Schüler von Franz Ries war. Ferdinand Ries stand als Schüler und Privatsekretär Beethoven persönlich und von seinem musikalischen Stil her am nächsten.
Aquarell z.Zt. seiner Begegnung mit Beethoven (in meinem Besitz)
Zeitgenössischer Stich
Abschließend verschiedene Darstellungen Beethovens aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Die Lebendmaske aus dem Jahr 1812 diente allen folgenden Beethoven-Darstellungen als Vorlage.
Beethovens Lebendmaske 1812
Das Beethoven-Portrait aus dem Jahr 1819/20 von Carl Stieler gilt als das beste.
Carl Stieler "Beethoven" 1819/20
Am 18. April 1823 war Beethoven bereit zu seiner Portraitsitzung bei Ferdinanad Waldmüller
Ferdinand Waldmüller "Beethoven" 1923
Max Klinger "Beethoven" 1902
Aus Gustav Klimt: "Beethoven-Fries" 1902
Die folgenden Bronzen stellen den ernsten und schwermütigen Charakter Beethovens in den Vordergrund.
Naoum Aronson (Schüler von Rodin) Beethoven-Büste, Bronze um 1900 (aufgestellt auch im Garten des Beethoven-Hauses Bonn)
Fix Masseau, Beethoven-Büste Bronze, um 1905
A. Gaonne, Beethoven-Büste, Alabaster um 1870
Vier Beethoven-Plaketten und Medaillen 1870 - 1910
Alois Kolb, zur IX. Symphonie Beethovens ("Dieser Kuss der weiten Welt"), Original-Radierung um 1900
Hans Bauer, Beethoven-Portrait, Radierung vom 1905